PresseAuf den Spuren des jüdischen Großvaters

— Rheinische Post

Aus Buenos Aires reiste Eva Leschinski mit ihrem Ehemann Lutz an, um die Mahnsteine des Künstlers Alfred Grimm anzusehen. Sie ist die Enkelin des jüdischen Klempners Julius Isaacson, der von Dinslaken nach Argentinien floh.

VON FLORIAN LANGHOFF

Dinslaken Es war eigentlich alles ein Zufall. Bei Recherchen im Internet stieß der Neffe von Eva Leschinski auf den Mahnstein von Julius Isaacson. Alfred Grimm hatte ihn im vergangenen Jahr geschaffen und auf der Eppinghovener Straße aufstellen lassen. Er ist einer von insgesamt vier Plastiken, mit denen der Künstler die Erinnerung an die ehemalige blühende jüdische Gemeinde in Dinslaken wachhalten will. Dieser, wie auch die anderen drei Steine in der Dinslakener Innenstadt erinnern an Juden, die hier gelebt und gearbeitet haben, bevor die Nazis sie vertrieben oder ermordeten.

„Meine Nachkommen sollen wissen, wo ihre Familie herkommt.“

Eva Leschinski

„Alfred Grimm hat mir einen Link geschickt, und ich habe mich immer weiter durch die Seite geklickt, bis ich ihm schreiben konnte“, erzählt die 71-jährige. Mit dem Kontakt zum Künstler reifte der Entschluss der Enkelin von Julius Isaacson, selbst aus der argentinischen Hauptstadt nach Dinslaken zu reisen, um sich die ihrem Großvater gewidmeten Skulptur aus Bronze und Stein anzusehen.

„Ich möchte das nicht nur für mich selbst machen, sondern auch Fotos mitbringen, damit ich die Geschichte dieses Kunstwerks meinen Kindern erzählen kann“, sagt Eva Leschinski. „Meine Nachkommen sollen wissen, wo ihre Familie herkommt.“ Sie selbst kannte ihren Großvater nicht. Im Februar 1940 floh er nach Argentinien. 1944 starb er in Buenos Aires.

Dorthin war 1936 schon sein Sohn Max, der Vater von Eva Leschinski geflohen. „Es war nicht möglich, alle Geschwister aus Deutschland wegzubringen“, erklärte die Isaacson-Enkelin. Während ihr Vater und ihre Onkel Otto und Kurt nach Argentinien flüchten konnten, kamen die Isaacson-Kinder Werner, Hans, Günter und Ilse-Henriette in Konzentrationslager. Nur Hans und Ilse überlebten dort.

„Ich selbst habe keine Erinnerungen an die Kriegsjahre, wie die meisten Menschen meiner Generation“, erklärte Eva Leschinski. Die Dinslakener Vergangenheit ihrer Familie, die sich in den Plastiken von Alfred Grimm spiegelt, interessiert sie trotzdem. Gemeinsam mit dem Bruckhausener Künstler steht sie vor den Werken, stellt Fragen nach deren Entstehungsgeschichte und möchte genau wissen, was sich Grimm bei den einzelnen Objekten gedacht hat. Der gibt gerne Auskunft.

Die 71-jährige saugt die Worte des Künstlers auf, betrachtet durch ihre dunkle Sonnenbrille genau die Ensembles aus Bronze und dunklem Basalt, liest die wenigen Sätze auf der Texttafel, die an ihren Großvater Julius, dessen Ehefrau und Kinder erinnern. Ehemann Lutz greift immer wieder zur Kamera und fotografiert die Objekte. „Ich möchte das genau so an meine Kinder weitergeben“, sagt Eva Leschinski. Große Gefühlsausbrüche gibt es beim Anblick der Mahnsteine allerdings nicht. Die hat sie schon hinter sich. „Als ich die Bilder des Mahnsteins zum ersten Mal im Internet gesehen habe, war ich überwältigt“, erklärte die 71-jährige.

Alfred Grimm

Skulpturen erinnern an Juden in Dinslaken

Leiterwagen Bereits 1993 schuf Alfred Grimm das Mahnmal im Dinslakener Stadtpark. Es erinnert an die jüdischen Familien in der Stadt und die jüdischen Kinder im Waisenhaus.

Vier Mahnsteine, die an jüdische Bürger erinnern, schuf Grimm im vergangenen Jahr. Sie sind Teil des Dinslakener Skulpturenweges.

Zurück