PresseErinnern auf der Shoppingmeile

— NRZ

Die „Mahnsteine“ des Hünxer Künstlers Alfred Grimm sollen in der Dinslakener City an jüdische Einzelhändler erinnern

Bettina Schack

Dinslaken. Ein Leiterwagen voller Schuhe, Taschen, Kleidung und Knochen durchbricht eine Mauer, davor klafft ein Loch in einer mannshohen Wand: die hohle Silhouette eines SS-Wachmanns. Seit 1993 erinnert das bronzene Mahnmal des Hünxer Künstlers Alfred Grimm an das Schicksal der jüdischen Gemeinde Dinslakens, zwischen Rathausvorplatz und Stadtpark, in unmittelbarer Nähe des früheren jüdischen Friedhofs, wo heute Autos in einem großen, zentralen Kreisverkehr ihre Runden drehen.

Dinslaken tat sich jahrzehntelang schwer, sich mit seiner braunen Vergangenheit auseinander zusetzen. Und so erinnert sich Alfred Grimm heute noch gut daran, wie der damalige Superintendent Ulrich Bendokat bei der Einweihung des Mahnmals überraschend forderte, die Besitzverhältnisse jener Immobilien zu klären, die vor Tod und Vertreibung jüdischen Dinslakenern gehörte.

Verein zur Verlegung von Stolpersteinen

Seitdem ist in Dinslaken viel geforscht, aufgearbeitet, publiziert worden. Von Privatpersonen wie der Buchhändlerin Anne Prior, die derzeit einen Verein zur Verlegung von „Stolpersteinen“ des Künstlers Gunter Demnig gründet, von der städtischen Seite durch die Stadtarchivarin Gisela Marzin und Museumsleiter Dr. Peter Theissen. 2008 erschien das Buch „Nationalsozialismus in Dinslaken und seine Nachwirkungen“, die derzeit ausführlichste Publikation zur Aufarbeitung der. NSZeit in Dinslaken. Zudem ist im Archiv ein Plan der Innenstadt erhältlich, in dem Immobilien in jüdischen Besitz vor 1938 in einem aktuellen Luftbild der Fußgängerzone und Umgebung verzeichnet sind.

Hier setzt ein neues Projekt an, das Alfred Grimm, der Kulturkreis Dinslaken und der Leiter des städtischen Fachdienstes Kultur, Klaus-Dieter Graf, vorige Woche vorstellten: Entlang der Dinslakener Fußgängerzone sollen „Mahnsteine“ an das jüdische Geschäftsleben vor der Machtergreifung der Nazis erinnern. „In plastischer, sinnlicher Präsenz“, wie es Grimm formuliert. Sieben mögliche Aufstellungsorte werden derzeit auf ihre Machbarkeit hin überprüft, vier Mahnsteine sollen nach dem Wunsch des Künstlers realisiert werden.

Für zwei der 7500 Euro teuren und etwa zwei Meter mal 70 Zentimeter großen Ensembles ist die Finanzierung bereits gesichert: sie soll ausschließlich aus privater Hand erfolgen, die Stadt begleitet das Projekt. Unterstützt werden die Mahnsteine aus dem Dinslakener Arbeitskreis „Gegen das Vergessen“, den Kirchen vor Ort und der jüdischen Gemeinde Oberhausen/Duisburg.

Alfred Grimm studierte bei Joseph Beuys, wurde als Objektkünstler bekannt. Einer, der mit scheinbar unbedeutenden Alltagsgegenständen in der Lage ist, klare, manchmal provozierend deutliche Inhalte und Aussagen zu transportieren. In der evangelischen Kirche Hünxe-Bruckhausen füllte er ein von ihm entworfenes Glasfenster unter anderem mit Getreidekörnern und Star-Wars-Figuren, für Dinslaken schuf er neben dem „Judenkarren“ der an die Verbrechen in der Pogromnacht erinnert, und dem Denkmal für Schwester Euthymia eine täuschend echte Straßenbaustelle, die das Grab eines toten Soldaten freilegt.

Bronzener Wasserhahn für den Installateur

Die Mahnsteine sollen direkten, lebendigen Bezug zu denen aufnehmen, an die sie erinnern: in Bronze gegossene Handschuhe und Hüte für das Hutgeschäft, das einst gegenüber der heutigen Stadtbibliothek stand, ein bronzener Wasserhahn für den Installateur in der Altstadt. Flankiert werden die Mahnsteine aus Basalt mit ihren Bronzeapplikationen von jeweils zwei kniehohen Sitzsteinen. Sie laden zum Verweilen ein, zum Innehalten auf Dinslakens Shoppingmeile, die vor 1933 von jüdischen Einzelhändlern mitgeprägt wurde.

Orte der Erinnerung, keine zwei Quadratmeter gorß, aber mitten im Alltagsleben an ein zerstörtes Alltagsleben erinnernd. „Ohne erhobenen Zeigefinger“, wie Grimm betont, künstlerisch gestaltet, über das rein Dokumentarische hinausgehend, ein wenig Zeit einfordernd. Zu den berufsbezogenen, plastischen Stillleben, gehören Bilderrahmen, die über die jüdischen Geschäftsleute, deren hier gedacht wird, informieren. Die ersten Mahnsteine sollen 2013 aufgestellt werden. 20 Jahre nach der Einweihung des „Judenkarrens“ und 75 Jahre nach der Pogromnacht.

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