PresseKleine Peep-Show: „Jenseits von Eden“

— Rheinische Post

Kunst im Jahr der Bibel: Alfred Grimm präsentiert in Voerde sein neues TV-Objekt „Versuchtes Paradies“

Von RALF SCHREINER

VOERDE. Vögel zwitschern, Bienen summen, ein Tiger brüllt und Eva stöhnt. Laut und Lustvoll tönt’ es aus dem illuminierten Farn. Die Versuchung ist blond und barbusig. Adam erliegt ihr stehend. Rhythmisch wackelt der Fernseher. Eden-TV. Alfred Grimms neustes Schau-Objekt „Versuchtes Paradies“ kratzt an einem Tabu. Der Hünxer Künstler zeigt Adam und Eva nach dem Sündenfall als quietschvergnügtes Pärchen, das sich ungeniert miteinander verlustiert.

Zeit des Erwachens

Es ist die Minute nach dem Apfelbiss, die Zeit des Erwachens aus unschuldigem Schlummer, des Einander-Erkennens, wie es in der Bibel heißt. Anders als van Eyck, Cranach und Michelangelo, Dürer, Rembrandt, Chagall und viele andere Künstler bedeckt Grimm die Szene nicht mit einem Feigenblatt. Im Gegenteil: Er legt den Schalter um. Spot an, willkommen zur Peep-Show. Zum ersten Mal in der europäischen Kunstgeschichte kein schamvoll gesenkter Blick, kein keusch bedecktes Geschlecht, keine Schuldgefühle. Grimms Eva schenkt dem Betrachter das zuckersüße Lächeln einer blond gelockten Barbie-Puppe, die wonnevoll ihren ebenfalls blonden Adam umarmt. Dieses Lächeln ist so künstlich wie alles in diesem Paradies. Der Frosch, die Maus, die Fliege auf dem Steinpilz. Die Bäume und Blumen. Erst recht die schwarze Gumminatter, die von außen ins Chassis kriecht.

Eine feine Leimrute hat der Hünxer Eulenspiegel da wieder ausgelegt. Grimm lockt den Betrachter, befriedigt aber nicht dessen voyeuristischen Blick. Ganz Spötter und Spaßvogel, enttarnt er die Peep-Show als harmloses Spiel. Dabei geht es ihm nicht um Mythen, sondern um farbenfrohe Tagesaktualität. Grimm sendet nicht live. Ein Bewegungsmelder lockt den Betrachter in die Endlosschleife jenseits von Eden. Und wieder dient ein ausgeweideter Fernseher als Rahmen und zugleich zeitgenössischer Bühne, um eine alttestamentarische Geschichte nicht neu, aber anders zu erzählen. Grimms Garten Eden ist eine Baustelle, und als solche macht er sie sichtbar. Es ist der künstlerische Versuch, Versuchung zu inszenieren. Klebepistole, Zange und Schraubendreher liegen noch auf dem Werktisch, gerade so, als habe der Meister sie soeben erst aus der Hand gelegt.

Weihnachtsgeschenk

Diplomatie war nie Alfred Grimms Sache. Der 60-jährige Beuys-Schüler arbeitet spontan, assoziativ, lustvoll und furchtlos. Dass er sein „Versuchtes Paradies“ – ein Objekt, das ursprünglich als Weihnachtsgeschenk für seine Ehefrau Barbara gedacht war – als Beitrag zur Kunstausstellung im Voerder Rathaus zum Jahr der Bibel präsentiert, ist nur konsequent. Grimm gefällt sich in der Rolle des Provokateurs. Und es wäre nicht das erste Mal, dass er mit einem Objekt in die Schusslinie selbst ernannter Sittenwächter gerät. Erinnert sei an den Skandal von 1998 in Rees und Meerbusch, als sein „Mutter-Erde-Stuhl“ der Zensur zum Opfer fiel und aus der jeweiligen Ausstellung entfernt werden musste.

„Versuchtes Paradies“ – eine weitere Geschmacklosigkeit? Unzumutbar? Obszön? Gar pornografisch? Grimm ist solche Anwürfe gewohnt. Er hält sie für abwegig. „Ich wollte nur etwas Menschlichkeit ins göttliche Umfeld bringen“, sagt Grimm und lächelt wissend. An seiner Kunst scheiden sich nun mal die Geister. Solange das so bleibt, können wir hoffen – auf immer neue Überraschungen.

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