PresseKunst-Skandal im Rathaus

— Rheinische Post

Bürgerproteste gegen eine Ausstellung
„Frische Luft“ aus Dinslaken ist muffig

19. März 1968 (korrektes Erscheinungsdatum)

Von unserem Mitarbeiter Friedrich Rohde

WESEL. Empörung stand gestern in den Gesichtern vieler Ausstellungsbesucher und einiger Rathausbediensteter geschrieben, die sich die Bilder im Keller des Rathauses ansahen. Zur Zeit stellt dort „Der Kreis“, eine Dinslakener Künstlergilde, aus. Sofort am Eingang wird der Besucher mit einer Zeichnung des 24jährigen Alfred Grimm konfrontiert, die uns veranlaßte, das Wort „Skandal“ in der Überschrift zu verwenden. Eine Darstellung des weiblichen Körpers in obszönster Form!

Bereits am Freitag zeichnete sich das Dilemma ab. Der „Künstler“ Alfred Grimm aus Dinslaken zog sich die Distanzierung einiger seiner Kollegen zu, als er seine Ausstellungsobjekte ausbreitete. Wir geben seinen Kollegen völlig recht: Seine Zeichnungen konzentrieren sich auf ein Thema: Die Darstellung obszöner Szenen. Themen wie „Wir lieben uns“, „Stehender Akt“, „Sie liegen zusammen“, „Das Paar“ und „Der Tag danach“ (dieser Titel trägt das Corpus delicti dieses Berichtes) sind seine ausschließlichen Motive. Vom künstlerischen Wert der Striche soll hier nicht gesprochen werden.

Als wir gestern den (erkrankten) Kulturreferenten der Stadt Wesel, Rolf Opitz, anriefen und ihn fragten, wie die Zurschaustellung solcher Bilder – und vor allem eines Bildes – möglich sei, mußte er sagen: „Ich war an der Auswahl wegen meiner Krankheit nicht beteiligt!“ Er versprach sofortige Prüfung.

Wieso nahm der Vorsitzende des Kulturausschusses, Ratsherr Georg Koch, am Sonntag bei der Eröffnung der Ausstellung nicht Anstoß an der Anstößigkeit? Wie kann er verantworten, daß Schulklassen oder Kinder, einzeln oder in Gruppen, diese Ausstellung besuchen?

Karl Heiduck, Senior der ausstellenden Dinslakener Künstler, meinte auf unseren Vorhalt lapidar: „Ich wollte hier in Wesel für frische Luft sorge!“ Für diese Art von Ozon danken wir!

In vielen Filmen und Magazinen vollzieht sich in unseren Tagen optisch eine millionenfache Prostitution des menschlichen Lebens. „Kunstwerke“ werden angeboten, denen die erotische Effekthascherei auf den ersten Blick anzusehen ist. Und es gehört heute praktisch schon Mut dazu, ein unanständiges Bild unanständig zu nennen.

Die Rheinische Post ist der Meinung, daß die Ausstellung im Rathaus überprüft werden sollte. Geschmacklosigkeit darf nicht unter dem Mantel der Kunst verdeckt werden. Obszönitäten sind obszön zu nennen.

Wann endlich wird gegen die Verseuchung unserer Jugend protestiert? Wann wird endlich der Schmutz ein Objekt unüberhörbaren Protests sein? Diese Fragen haben in Wesel ihre unmittelbare Aktualität.

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