PresseMahnen mit Bronze und Stein
— Rheinische Post
Von Ralf Schreiner
DINSLAKEN. Erinnerungsarbeit kann mehr sein als Dokumentation. Alfred Grimm versteht seine Mahnsteine als „lebendige und sinnlich wahrnehmbare Plastiken“. Sie sollen Auskunft geben über den Wohnbereich jüdischer Bürger in Dinslaken und zugleich über den Beruf informieren, den diese Menschen ausgeübt haben, bevor sie von den Nazis vertrieben und ermordet wurden. Die Kosten pro Mahnsteinensemble belaufen sich auf 7500 Euro. Darin enthalten sind der Kauf der Steine, der Bronzeguss, Transport und Honorar. Finanziert werden die Gedenkstätten über Spenden und Sponsoren, die Stadt gibt kein Geld. „Die Anschubfinanzierung für zwei Mahnsteine steht“, sagte Alfred Grimm gestern im Pressegespräch.
In Ruhe betrachten
Jedes Kunstwerk besteht aus einem dreiteiligen Ensemble aus Basaltsteinen, von denen der mittlere als Bronzeplastik gestaltet wird. Die beiden flankierenden Steine dienen als Sitzgelegenheiten, von denen aus der Betrachter das Werk mit seinen bildlichen und textlichen Aussagen auf sich wirken lassen kann. Alfred Grimm arbeitet nicht abstrakt. Wie schon beim jüdischen Mahnmal im Stadtpark und der „Baustelle“ vor den Stadtwerken kommt es ihm darauf an, dass die Mahnsteine ihre Botschaften anschaulich transportieren.
Anschubfinanzierung steht
Der für Herrmann Eichengrün, der an der Duisburgerstraße 8, gegenüher der Stadtücherei, ein Hutgeschäft betrieben hat, zeigt einen in Bronze gegossenen Hut und ebensolche Handschuhe. In die Plastik für den Installateur Julius Isaacson, der sein Geschäft an der Eppinghovener Straße 4 hatte, hat Grimm Wasserhahn und Abflussrohr eingearbeitet. Jeder Mahnstein erhält neben diesen „plastischen Durchformungen“, wie es der Künstler nennt, eine Bronzetafel mit Angaben zum Lebenslauf desjenigen an den erinnert wird.
Geplant sind zunächst vier Gedenksteine, die bis 2013 auf der Neu- und Duisburger Straße aufgestellt werden sollen. 2013 ist auch für Dinslaken ein besonderes: Hitlers Machtübernahme jährt sich zum 80. Mal, die Reichspogromnacht zum 75. Mal. Hinzu kommt, dass das Mahnmal im Stadtpark, das Alfred Grimm zur Erinnerung an das Schicksal der von den Nazis vertriebenen Juden geschaffen hat, vor 20 Jahren eingeweiht wurde. Diese Gedenktage waren es auch, die Gisela Marzin (Stadtarchiv) und Dr. Peter Theißen (Museum Voswinckelshof) bereits 2007 auf die Idee brachten vor Wohnhäusern in der Dinslakener Innenstadt „plastische Gedenkstätten zu jüdischem Leben“ zu errichten. Das Projekt wurde damals nicht weiter verfolgt.
Neuer Anlauf
Anfang dieses Jahres gab Alfred Grimm einen neuen Anstoß, konkretisierte das Ganze mit Skizzen und Details zu Planung und Aufbau – und hatte Erfolg. Rat und Verwaltung der Stadt Dinslaken sind im Rahmen des Projekts „Wider das Vergessen“, der auf das Gedenkjahr 2013 hinarbeitet, in das Vorhaben eingebunden. Die beiden christlichen Kirchen, die schon 1993 dafür gesorgt haben, das Mahnmal zu verwirklichen, unterstützen jetzt auch die Mahnsteine. Der Ausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit und die jüdische Gemeinde Oberhausen/Duisburg beteiligen sich an dem Vorhaben. Der Kulturkreis Dinslaken wird das Projekt vertraglich abwickeln.
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Sieben Standorte möglich
DINSLAKEN (ras). Für die Aufstellung der Steine sind bislang sieben mögliche Orte im Gespräch. Neben den beiden genannten kommen in Frage: Neustraße 7 (Erinnerung an Richard und Berta Salomon), Neutraße 15 (Bernhard Davids), Brückstraße 1 (Josef und Julius Jacob), Neutraße 70/Friedrich-Ebert-Straße 47 (Siegfried Bernhard), Neustraße 50 (Rudolf Hellmann).
Ob die Mahnsteine tatsächlich dort zu stehen kommen, ist nicht nur eine Frage des Geldes. Die zwei Meter breiten und 70 Zentimeter tiefen Kunstwerke dürfen keine Zufahrten für Rettungsfahrzeuge blockieren. Für die Aufstellung ist eine Sondernutzungsgenehmigung der Verwaltung notwendig. Außerdem sollten sie nicht unbedingt dort installiert werden, wo der Kölner Künstler Gunter Demnig seine „Stolpersteine“ verlegen wird. Wie berichtet, will ein Initiativkreis um Buchändlerin Anne Prior mit diesen Steinen auf deren Oberfläche eine Messingtafel mit Namen, Geburts- und Todesdatum angebracht ist an die Dinslakener Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft erinnern.
Klaus-Dieter Graf, in der Stadtverwaltung Leiter des Geschäftsbereichs Bildung, Kultur, Freizeit und Sport, erklärte, dass sich der Arbeitskreis „Gegen das Vergessen“ und der Verein Stolpersteine sicherlich „in harmonischem Miteinander“ darauf verständigen werde, wo Stolper- und wo Mahnsteine an die Dinslakener Juden erinnern sollen.
„Man kann das eine machen, ohne das andere zu lassen“, sagte Graf. In den Mahnsteinen sieht er auch eine gelungene Erweiterung des Dinslakener Skulpturenwegs. „Die Steine haben einen direkten Bezug zum Mahnmal“, fügte Künstler Alfred Grimm hinzu. „Und sie erinnern an die Juden ohne drohenden Zeigefinger.“
Info
Bronzeguss
Die Plastiken wird Alfred Grimm bei der Bronze- und Kunstgießerei Butzon & Becker in Kevelaer in Auftrag geben.
Das Unternehmen hat bereits Grimms „Baustelle“ und die Gedenkstätte für Schwester Euthymia am Vinzenz-Hospital in Dinslaken realisiert.