PresseOrte des Erinnerns

— NRZ

Die Mahnsteine von Alfred Grimm laden seit gestern zum Verweilen ein

Von Bettina Schack

Dinslaken. Hut und Handschuhe, Werkzeug und ein Wasserabflussrohr. Zwei Denkmäler fürs Handwerk auf den ersten Blick. Doch bei näherem Hinsehen zwei Mahnsteine an das dunkelste Kapitel auch der Dinslakener Geschichte. Die Symbole der Putzmacherin und des Installateurs nehmen Bezug auf konkrete Personen, die in der Duisburger Straße tätig waren, bis sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit vertrieben wurden. Gestern wurden die Mahnsteine für Elly Eichengrün und Julius Isaacson gegenüber der Stadtbibliothek bzw. auf der Eppinghovener Straße in einem kleinen Gedenkakt der Öffentlichkeit übergeben. Geschaffen hat die Bronzeplastiken Alfred Grimm. Sie sollen an das einst florierende jüdische Geschäftsleben in Dinslakens Zentrum erinnern.

„erinnern ist ein zentraler Bestandteil unserer Religion“, begann Paul Moses Strasko seine erste offizielle Amtshandlung als Rabbiner der jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen in Dinslaken, „die, die nicht mehr sind, sind ein unauslöschlicher Teil der Gemeinde“. Deshalb seien die Mahnsteine von unschätzbarem Wert für die Opfer, deren Angehörige und uns alle. Das Erinnern gebe den Menschen ein Gesicht. Elly Kann wurde 1888 geboren. Sie lernte das Handwerk der Putzmacherin und heiratete den acht Jahre älteren Hermann Eichengrün, einen Kaufmann. Im Hutgeschäft auf der Duisburger Straße fertigte sie Kreationen für die Dinslakenerinnen, bis die Nazis Arbeiten und Leben für die Juden in der Stadt unmöglich machten. 1941 floh sie über die Niederlande in die USA, 1942 wurde ihr Sohn Erwin in Auschwitz ermordet. Tochter Thea überlebte.

Julius Isaacson wurde 1875 geboren. Der Klempner und Installateur heiratete die drei Jahre ältere Selma Luhs. Neun Kinder gingen aus der Verbindung hervor. Frieda und Paul starben in Dinslaken, Günter und Werner wurden im KZ ermordet. Julius und Selma Isaacson gelang die Flucht nach Buenos Aires, wo sie kurz hintereinander noch im selben Jahrzehnt starben. Die weiteren Kinder Hans, Ilse-Henriette, Kurt, Max und Otto überlebten.

Wie wichtig es ist, an Einzelschicksalen von damals zu erinnern, da dies dazu führe, den Menschen zu sehen „und nicht den Juden, den Nazi, den Türken, den Amerikaner, den Kapitalisten oder den Hassprediger“ betonte die stellvertretende Bürgermeisterin Margarete Humpert.

Shalom und shalem

Nachdenklich stimmten auch die dem vorhergehenden Worte Humperts: Während Rabbiner Strasko Dinslaken als vorbildlich in der Erinnerungskultur aus allen Kreisen der Gesellschaft heraus lobte, fragte sie kritisch: „Aber wr will sagen, ob wir damals die Kraft und den Mut gehabt hätten, um auf der richtigen Seite zu stehen?“ Eine kleine Kröte in Abflussrohr erinnert an einst überhörte Unkenrufe.

Alfred Grimm zeichnete die Schritte zur Realisierung der Mahnsteine nach, bedankte sich beim Kulturkreis, der Projektgruppe Wider das Vergessen und den Sponsoren Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe und Wohnbau Dinslaken.

Die Wurzel des Wortes Shalom-Frieden liege im Hebräischen und bedeute „ganz sein / komplett machen“, so Paul Moses Strasko. Als Reinhardt Schmitz nach dem Friedenssegen „Shalom cheverim“ spielte, stimmten die Anwesenden spontan in das Lied ein.

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