PresseSinnstiftendes Spiel mit Daseinsstufen

— Rhein-Sieg-Zeitung

Martin Timm und Alfred Grimm zeigen im Torhausmuseum Arbeiten zu „Tarot und Schach“

Von Andrea Barthélémy

Sieburg. Ein Spiel mit dem Spiel. Mit den geheimnisvoll-sprechenden Karten des Tarots, mit der kühlen Strategie des Schach. Im Torhausmuseum fordern die Künstler Martin Timm und Alfred Grimm seit Dienstag zur Partie – und zur Parteinahme.

Mit verspielten Zufälligkeiten durfte dabei in beiden Fällen nicht gerechnet werden. Als Beuys-Schüler widmete sich Alfred Grimm, Jahrgang 1943, nicht nur der zwei-, sondern vor allem der dreidimensionalen Darstellung des Schachspiels: 64 Felder bilden das stets gleichbleibende, zugrundeliegende Raster, das es zu beleben gilt. Schach-Protagonisten tummeln sich darauf, die mit konventionellen Figuren wenig gemein haben, sich dafür – oftmals „getarnt durch Humor“, wie es Martin Müller zur Einführung nannte – in verschiedenster Weise in Szene setzen.

So beim „Veteranen-Schach“, in dem die Spielsteine durch Geschoßhülsen ersetzt, von Spinnweben überzogen und mit Schnapsglas, Kaffeetasse und abgelegter Brille dekoriert, zum Relikt ermüdender strategischer Kriegsführung werden. So auch beim „Technischen Schach“, bei dem die Feldfiguren am Tropf hängen – und den Lebenssaft für ihre Schachzüge aus Batterien beziehen.

Unterschiedlich sind dabei Gangart, Zielrichtung und Taktik: Im Sammelsurium aus Zivilisationsüberbleibseln und Zitaten des Alltagslebens agieren Grimms Protagonisten als metaphorische „Schachprobleme“ (so beim per Axt gespaltenen „Räuberschach“-Brett) oder auch als Platzhalter für „Lebensprobleme“ auf allgemein-gesellschaftlichem Spielfeld.

Teleologische Entwicklungen, zielgerichtete Wege sind für den Fotografen Martin Timm von besonderer Faszination. Der aus Hamburg stammende Wahl-Kölner widmet sich mit Vorliebe mythologischen, alttestamentarischen Themen – die Tarot-Karten sind für ihn jedoch gleichfalls eine Art „Initiationsweg“. In reduzierten, querformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien spürte er anderthalb Jahre lang den „Urbildern“ in den ehemals auch als Orakel benutzten Karten nach – „mit Esoterik habe ich jedoch nichts im Sinn“, beteuert der 33jährige.

22 ganz persönliche Abstraktionen – teils von Beginn an rational konzipiert, teils zunächst unbewußt assoziiert – sind dabei in Nachzeichnung des in den Karten vorgefundenen Entwicklungsweges herausgekommen. Da entbieten zwei prall-feuchte Äpfel einer sich stolz entfaltenden Orchidee einen fast bedrohlichen Schutz – Timms Adaption der Karte „Regentin“. Ihr männliches Pendant, der „Regent“, klammert sich angesichts soviel offensiv demonstrierter Weiblichkeit an (zweifelhafte) Herrschaftsinsignien: Neben einem Halsband-Orden strecken sich diverse Werkzeuge eines Taschenmessers empor – jedoch keine scharfe Klinge, sondern Maßlöffelchen und Schraubenzieher.

Nicht nur dank des extremen, breitgelagerten Querformats zwingen die Bilder geradezu zum ruhigen, fast kontemplativen Betrachten. Auch die Inszenierung ist statisch, wirkt wie die durch beharrliches Insistieren freigelegte Essenz diverser Daseinsstufen. Die reichen von der Karte des „Narren“, auf der bei Timm Plastikspielzeug zu sehen ist, bis zum „Welten-Ei“, das in der Nachfolge der „Auferstehung“ zwei Lämmer, wiederum Gummifiguren, zeigt. Der Kreis schließt sich: Teleogie oder Zyklus? Sinnstiftendes Spiel auf alle Fälle. Die Ausstellung „Tarot und Schach“ ist noch bis zum 8. Mai jeweils sonntags von 14.30 bis 17 Uhr und mittwochs von 9 bis 12 sowie 15 bis 17 Uhr zu sehen.

Zurück