PresseUnd ewig lockt das Weib

— NRZ

Ausstellung. Grimms Mädchen tummeln sich im Weseler Preußenmuseum. Klar, dass manche aus dem Rahmen fallen …

Gabi Gies

Wesel. Spätestens beim Fernsehprogramm aus dem Paradies wäre Dornröschen rot geworden. Da lässt Eva den rechten blanken Barbie-Busen blitzen und der Adam zwischen ihren Schenkeln zeigt Plastik-Popo ohne Feigenblatt – untermalt von Tigergebrüll und Menschengestöhn. Aber Dornröschen ist ja auch keines von Grimms Mädchen, die sich derzeit im Weseler Preußenmuseum tummeln. Die Bilderfrauen des Hünxer Künstlers Alfred Grimm erzählen keine Märchen – eher Alltags-Kurzgeschichten. Alle zusammen sind der rote Faden, der sich durch ein langes Künstlerlebens zieht – der von der Faszination des Weiblichen. „Grimms Mädchen“ – nicht nur die Objekte und Bilder, sondern auch der Titel der großen Ausstellung im Preußen-Museum stammt aus der Feder des Beuys-Schülers.

Kruzifix und Coladose

Eigentlich wollte Grimm sein „Versuchtes Paradies“ nicht nur vertonen, sondern auch noch rhytmisch wackeln lassen. „Mein Kunstobjekt ist ein Novum. Zum ersten Mal in der europäischen Kunstgeschichte erkennt Adam seine Eva“, sagt Grimm und zwinkert dabei ganz und gar unzweideutig. Er habe nur etwas Menschliches ins göttliche Umfeld bringen wollen … Zu provokant für die Provinz? Die hat schon mehr Grimmsche Direktheit zu sehen bekommen und sich mal mehr und mal weniger darüber aufgeregt. Über den „Aufnehmer-Christus“, etwa. Das Objekt aus Grimm’s umstrittenem Kruzifix-Zyklus, bei dem ein Putzlappen über einem Kreuz hängt, ist ebenfalls in Wesel zu sehen. Blasphemie? „Grundgedanke war, dass Christus den Dreck der Welt aufgenommen hat.“ Er wolle nicht provozieren, „aber wenn etwas auffällt, dann ist das okay“, sagt Grimm.

Vergnüglich ist der Blick in das nachgebaute Atelier hinter Glas. Da baumeln Kruzifixe neben Unterhosen und Rentiergeweih, lagern alte Kassettenrecorder neben Puppenkopf und Coladose. Alles Originale aus der echten Vorratskammer für Objekte in Bruckhausen, wo Grimm vor fünf Jahren mit seiner Porträtserie begann. Hier saßen ihm überwiegend junge Mädchen Modell. Während der Sitzungen hat er skizziert und gezeichnet, fertig gemalt aber erst, wenn die Modelle weg waren. Dann hat er überarbeitet, ergänzt, Bewegungen sichtbar gemacht, Erlebtes arrangiert und zu Kurzgeschichten geformt. Grimms Mädchen aus der Abteilung Akt und Eros hingegen sind reine Phantasieprodukte.

Aber Grimm wäre nicht Grimm hätte er seine Faszination des Weiblichen nicht auch mit Heißklebepistole, Hammer und Nagel bearbeitet – und sprachgewandt aufgearbeitet. Bissig sind sie, seine „Objekte des Weiblichen“, hintergründig, manchmal auch nur eindeutig zweideutig. Lassen laut lachen, manchmal auch leise aufseufzen. Wie die Tortenstücke aus dem Zyklus „Ein schönes Stück Deutschland“. Die „Jeans-Torte (JVA Werl)“ mit geöffnetem Reißverschluss, serviert mit Aktbildchen und verklebtem Tempotaschentuch. Oder die „Fehlgeburtstagstorte“, bei der einem auf den ersten Blick jeglicher Appetit vergeht. „Keine Provokation, sondern lieb gemeint – entstanden durch eine Diskussion, wann und wie man ungeborener Kinder gedenkt“, so Grimm.

Fernseher, Schachfiguren, Tortenstücke, Kruzifixe – Grimm ist als Serientäter bekannt. Für die Ausstellung hat er Objekte seiner verschiedenen Zyklen zusammengestellt. Auch der umstrittene „Mutter-Erde-Stuhl“, der einst der Zensur zum Opfer fiel, ist in Wesel zu sehen. So gibt es für Grimm-Kenner manches nette Wiedersehen, für Grimm-Neulinge viele überraschende Begegnungen. Und für alle eine Ausstellung, die Alfred Grimm von beiden Seiten zeigt – der leisen und der lauten.

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