PresseVon einer nichtalltäglichen Art, das Leben zu sehen

— Thüringische Landeszeitung

Objekte eines Beuys-Schülers im Foyer des Waidspeichers

Erfurt (bp). Wie wäre es mit „Einem schönen Stück Deutschland“ vom Niederrhein mit grüner Landschaft, einer Plastikkuh, einem Milchstrom oder aus der Lüneburger Heide mit Moos und Heidegewächs? Insgesamt sechzigmal hat Alfred Grimm das genannte Thema in Objekten variiert und serviert davon einige Beispiele auf Keramiktellern im Foyer des Theaters Waidspeicher, nicht zum Verzehr, sondern zum vergnüglich-nachdenklichen Betrachten.

Unerschöpfllich scheinen die skurrilen Ideen, mit denen der in Hünxe lebende Künstler sein Publikum überrascht und die zurecht plaziert scheinen in einem Haus, in dem auf ganz andere künstlerische Weise menschliche Schwächen und Verhaltensweisen aufs Korn genommen werden.

Das Schachspiel hat es Alfred Grimm besonders angetan. Er setzt die Schachfiguren in Beziehung zu alltäglichen, oft auch nicht alltäglichen Gegenständen, die er irgendwo im Abfall, im Hof oder auf dem Dachboden gefunden hat – eine uralte Brille, ein nostalgisch wirkendes Schnapsglas, kalter Kaffee in einer dickwandigen Tasse; den Schachfiguren stehen Patronen gegenüber und das Ganze wird übersponnen vom Netz einer Spinne. Auf einem anderen Schachbrett ist alles in dickem Eis erstarrt.

Spritze, Laborteile, Brille, Teelöffel, Aschenbecher, Tampon… liegen auf einem „Fixerboard“. Ein altes Vogelhaus umgibt das mit Akribie gepflegte „Eigenheim“. Im „Deutschen Kulturbeutel“ findet man Seiftuch und andere Toilettenutensilien einträchtig neben kleinen Skulpturen der Freiheitsstatue und des Steffel. Im Wagen mit technischem Gerät aller Art, „konserviert“ in einer Flüssigkeit, liegt das „Wunschkind“ – irgendwann bleibt dem Betrachter das Lachen im Halse stecken. Denn hinter all dem scheinbar so heiter Dargestellten steckt eine tiefsinnige Bissigkeit, mit der Grimm die Schwächen seiner Zeitgenossen und der Gesellschaft aufs Korn nimmt. Er hält einen Zerrspiegel vor, in dem sich mancher gar nicht so gern wiedererkennen möchte.

Der in Dinslaken Geborene studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie u. a. bei Josef Beuys und legte ein Staatsexamen für das Künstlerische Lehramt ab. Erste Aktionen bei Ausstellungen veranstaltete er 1980, danach weitete er seine künstlerische Tätigkeit aus, beteiligte sich an Ausstellungen in Duisburg, Heidelberg, New York, Dortmund. Eigene Präsentationen gestaltete er in Elmshorn, St. Wendel, Essen und Rees. Über Kontakte zum Südthüringer Kunstverein kam er auch nach Thüringen, wo er vor zwei Jahren erstmals in Mühlhausen ausstellte.

Dieter Hennig, der für das Theater Waidspeicher die Konzeption von Ausstellungen übernommen hat, lud ihn nach Erfurt ein. Nicht nur seine Objekte allein stellt Alfred Grimm vor, er veranstaltet auch am Sonnabend, dem 29. Januar, ab 18.30 Uhr eine Aktion, bei der Gelegenheit ist, ihn vor der Aufführung des Puppentheaters „Biografie – ein Spiel“ zu beobachten und kennenzulernen.

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