PresseWen Grimms Mädchen provozieren

— Rheinische Post

An der gut besuchten Ausstellung „Grimms Mädchen“ im Weseler Preußen-Museum scheiden sich die Geister. Einige – auch ältere – Kunstfreunde sind begeistert, andere können sich mit den Aktzeichnungen nicht anfreunden.

VON MARTHA AGETHEN

Wesel/Hünxe Alfred Grimm ist mehr als zufrieden. Seine bisher größte Einzelausstellung „Grimms Mädchen“ lockte Gäste aus Aachen, Velbert oder Düsseldorf, aber auch zahlreiche Weseler Bürger ins Preußen-Museum. Natürlich ließen es sich auch die ehemaligen Kollegen vom THG Dinslaken, an dem der Künstler aus Hünxe-Bruckhausen bis vor drei Jahren als Kunsterzieher wirkte, nicht nehmen, einen Rundgang zu unternehmen. Sogar die jungen Damen, die für die Aktzeichnungen – wohlgemerkt angezogen – Modell gestanden hatten, kamen auf der Suche nach sich selbst und fanden sich verblüfft neben einem völlig fremden Bodybilder wieder. Dies ist Grimms künstlerische Freiheit, die Realität neu zusammenzusetzen.

Erotisch provokant

Er meint grundsätzlich zum erotisch provokanten Charakter seiner Bilder: „Was die Jugend sich manchmal schon mit 13 im Internet reinzieht, ist damit nicht zu vergleichen. Die wissen heute mehr als ich mit 24!“ Dennochgab es sie, die Leute, die schockiert waren und die die Akte als Pornografie empfanden. Das Andreas-Vesalius-Gymnasium schickte seine Oberstufe ins Preußen-Museum. Während die Kunstlehrer begeistert reagiert hätten und die 13-er reichlich Diskussionsstoff für sich entdeckten, hätten die 11er doch teils peinlich berührt den Kopf gesenkt. Die Hamburger Haartorte habe einer Schülerin ein „I, nä!“ entlockt. Da habe offenbar die Distanz gefehlt, meint Grimm, dies als Kunst zu sehen. Statt als Essen! „Dabei ist die Ausstellung beim Rundgang mit Dr. Veltzke schon entschärft worden“, fügt der Künstler hinzu. Verschärft ging es dagegen bei den Objekten zu. Die Zeichnungen seien mit Lyrik, die Objekte eher mit einem Drama zu vergleichen.Da fließe mehr Soziales und Gesellschaftliches ein. Betroffenheit, Wut, Ekel habe er vielfach zu spüren bekommen. Selbst bei den Führungen, sechs insgesamt à zwölf Personen, konnten sich rund die Hälfte der Besucher trotz Aufklärung nicht damit anfreunden. Doch insgesamt erlebe er heute mehr Toleranz. Dr. Arand hätte sich vor elf Iahren noch schlicht geweigert, den „Mutter-Erde-Stuhl“ in seinem Museum auszustellen. Manches wurde mit Humor genommen, besonders das Objekt „Adam und Eva“ (im Clinch, mit Seufzen). Grimm verteidigt den drastischen Charakter seiner Werke: „Ästhetik ist der Feind der Kunst. Es darf Schönheit, aber es muss Biss dabei sein.“

Auf Adressaten hinzuarbeiten liege ihm fern, er verwirklicht seine Weltsicht. Schülern habe er zeitlebens zur Werkbetrachtung empfohlen: „Nehmt den Schlüssel, schließt die Tür auf!“

Es wagten sich auch zahlreiche Senioren in die Ausstellung: Eine Dame hinterließ da im Gästebuch, was ihr ein begeisterter Herr (82) gestand: „Ich hätte nichts dagegen, die Frau von Bild 166 („Frau, sich entkleidend“) mal kennenzulernen.“ Diskussionen könnte da eher folgendes Zitat auslösen: „Wie das wahre Leben, nicht das aus der Konserve, das wir bisweilen dafür halten.“

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